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Viviana - ein südamerikanisches Juwel

Sie hatte auf ihrer Wanderung nach Hause in der Nähe ausgeruht, dann aber Stimmen gehört, die nicht näher kamen. Dann war sie eben näher an die Stimmen herangekommen.

Sie war eine Frau mittleren Alters mit dunklen, klaren Augen und ausgeprägten und schönen Lachfalten um den Mund. Auf dem Rücken trug sie ein bunt gestreiftes Tragetuch. Sie hieß Viviana.

Wir luden sie ein, sich zu uns zu setzen. Sie schob ihren kleinen Hut zurecht und setzte sich.

Wir boten ihr Kekse an. Sie nahm einen und aß ihn als hätte sie noch nie Kekse gesehen.

"Das schmeckt", staunte sie und nahm noch einen. Dann schaute sie uns an. "Woher sind Sie?"

"Aus Alemania."

"So heißt ihr pueblo. Aha. Wo ist das?"

Sie hatte nicht unsere Bezugspunkte. Ihre Realität bewegte sich in Schritten und Tagen. Die schnell vorüberhastende Zeit der so genannten Ersten Welt ging an ihr vorüber.

"Wenn man ganz schnell läuft - ein Jahr", sagte ich also.

Aber sie konnte es sich nicht so recht vorstellen, was dieses Alemania war und wo es lag.

Sie kniff ihre Augen ein wenig zusammen und musterte uns genau.

"Sind dort alle so groß?"

"Nein", lachte ich. "Nein. Nicht alle Menschen sind so groß."

"Alemania. Aha. Mein pueblo heißt Challacollo", sagte sie.

Wir erklärten ihr, dass Alemania ein Land ist.

Sie lachte herzlich, weil sie wusste, dass wir ihr etwas erklären wollten, was sie nicht verstehen würde.

Bis zum Schluss war sie davon überzeugt, dass "unser Dorf" Alemania heißt, so wie ihr Dorf eben Challacollo heißt, wo fast neunzig Leute wohnen, wenn man die Kinder mitrechnet.

Viviana

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Sie griff nach einem weiteren Keks und schmierte mit dem Taschenmesser Marmelade drauf. Dann runzelte sie die Stirn und zeigte auf Bettinas Wanderstiefel.

"Was ist das?"

Bettina schaute, ob da etwas an ihren Stiefeln klebte. Aber sie sah nichts.

"Was?", fragte sie.

"Na, das. Sind das Schuhe?"

"Oh. - Ja. Ja, das sind Schuhe."

"Sind aber sehr groß."

Viviana hatte Sandalen an. Aber wahrscheinlich lief sie viel barfuß, denn ihre Füße waren eine Ansammlung von großen Rissen in einer beeindruckend dicken Hornhautschicht.

Nach einer Weile sagte sie: "Jetzt haben wir uns aber gut miteinander ausgeruht."

In bunter Kleidung stand vor uns ein Juwel. Vermutlich würden wir die lachende Indiofrau nie mehr wieder sehen. Und genauso lang nicht vergessen.

Aus dem Kapitel:

Salziger Altiplano!


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