Hunde liegen in der untergehenden Sonne. Die breite Straße ist asphaltiert und angenehm warm. Eine Sau und ihre drei Ferkel grunzen im Straßengraben. Zwischen ihren Füßen wuseln graubraune Küken auf den heutigen Essensresten herum. Ein Hahn steht daneben und blickt stolz die Straße hinunter.
Dort unten knien Mädchen auf der Straße und schlagen für die Besenherstellung dicke, binsenartige Gräser auf den harten Asphalt. Der Duft der feinen Gras-Samen hängt grün in der Luft.
Die Häuser müssen für die Regenzeit erneuert werden. Bei einer großen Kokospalme etwas weiter die Straße runter decken ein paar Männer das Strohdach eines Hauses ab.
An der Wasserstelle gegenüber rubbeln sich Frauen mit ihren nassen Sarongs ab. Ihre tiefbraune Haut glänzt im goldenen Licht der Abendsonne. Nackige Kinder hüpfen wie übermütige Frösche in den Pfützen herum.
Die Dorfstraße hoch schiebt eine Frau einen hölzernen Schubkarren. An der Palme bleibt sie stehen und winkt den Männern zu. Im Karren dampft ein großer Topf mit Suppe, daneben stapeln sich Teller und Besteck, dazu ein speckiges unterteiltes Plastikschüsselchen mit Gewürzen.
Der Schrei eines Kindes zerreißt vom oberen Dorfrand her den abendlichen Frieden wie dünnes Papier: "Falaaaang!"
Die Suppenwagenfrau blickt die Straße hoch. Am Straßenrand bei den Küken streckt ein kleiner Junge den Kopf aus einem Bastkorb heraus. Seine Mutter kommt aus einer Wohnhütte. Sie hat den Schrei gehört und eilt zu ihrem Kleinen hin, geht in die Hocke, nimmt seinen Kopf zwischen die Hände und dreht ihn so, dass er die Falang sehen kann.
Da sind sie! Falang! Ihnen voraus rennt der Junge, eine rote Baseballmütze auf dem Kopf. Noch einmal schreit er: "Falaaang!"
Der Kleine im Bastkorb winkt.
Die Mädchen am Straßenrand haben aufgehört, die Besenbinsen zu schlagen, sind aufgestanden und schauen die Straße hoch. Ein Kind weint, als die Falang näher kommen, und versteckt sich hinter seiner großen Schwester, die ein schlafendes Baby auf den Rücken gewickelt hat und ebenfalls die Straße hochschaut - zum rennenden Jungen mit der roten Mütze.
Und zu den Falang.
Falang heißt so viel wie "Ausländer", "Langnasen". Es gibt Falang ab und zu auf dick bepackten Fahrrädern. Und heute gibt's Falang sogar am Suppenwagen!
Die Suppenwagenfrau reicht Bettina einen Teller Suppe und einen Löffel. Und Stäbchen.
Die Frauen haben sich abgetrocknet und sitzen auf der Mauer, die die Wasserstelle begrenzt.
Die Männer schauen neugierig vom abgedeckten Haus bei der großen Kokospalme zum Karren hinüber. Einer kommt herüber und stellt sich zum Jungen mit der roten Baseballmütze. Der ist noch ganz außer Atem.
Bei den Ferkeln oben ist der Kleine mittlerweile aus seinem Bastkorb geklettert, hat sich wieder auf die Beine gestellt und rennt nun zu den Falang beim Suppenwagen.
Während die Frau den zweiten Teller füllt, nimmt Bettina den ersten Löffel Suppe.
"Oh, scharf!", warnt sie mich.
Auch ich nehme meine Suppe entgegen und gehe die Sache vorsichtig an. Nach ein paar Löffeln treibt's mir den Schweiß auf die Stirn. Kleine Rinnsale fließen die Wangen hinunter. Mein Bart wird nass und Tränen kullern aus meinen Augen. Bettina bekommt einen Hustenanfall. Auch mein Gesicht hat mittlerweile ein unnatürliches Karmesinrot angenommen - wie der Plastikschraubdeckel einer Chilidose.
Der Kleine aus dem Bastkorb schaut zu Bettina hoch. Die hat helle Haare und hustet.
Der Junge mit der roten Baseballmütze bringt jedem von uns ein Glas Wasser, das wir auch brauchen.
Nun reicht die Suppenwagenfrau dem Mann eine Schale voll Suppe. Der schüttet noch etwas Chili aus einer kleinen Plastikschüssel hinein, rührt kurz um und geht vor dem Kleinen in die Hocke. Der macht seinen Mund auf.
Einen Löffel für Mama.
Schluck.
Einen Löffel für Papa. Der Mann lächelt liebevoll.
Die Augen des Kleinen wandern zu den Falang.
Schluck.
Ein Löffel für Tante Noi.
Beide Falang husten jetzt aus roten Köpfen.
Schluck.
Einer für die Oma...